Indien überholt Großbritanniens Wirtschaft
Indien überholt seinen ehemaligen Kolonialherrscher Großbritannien und wird die fünftgrößte Volkswirtschaft gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Vereinigte Königreich sieht sich derzeit mit der höchsten Inflation seit 40 Jahren konfrontiert, und die Gefahr einer Rezession steigt.
Schwache britische Wirtschaft
Indien ist zur fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen und hat damit der Regierung in London, die mit einem brutalen Lebenshaltungskostenschock zu kämpfen hat, einen weiteren Schlag versetzt. Die ehemalige britische Kolonie zog in den letzten drei Monaten des Jahres 2021 an Großbritannien vorbei und wurde zur fünftgrößten Volkswirtschaft. Die Berechnung erfolgt in US-Dollar, und Indien hat seinen Vorsprung im ersten Quartal ausgebaut, wie aus den BIP-Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervorgeht.
Diese Entwicklung kommt zu einer Zeit, in der Großbritannien mit der schlimmsten Inflation seit über 40 Jahren konfrontiert ist. Die gesamte Eurozone ist durch die aktuellen Konflikte in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das Abrutschen des Vereinigten Königreichs in der internationalen Rangliste ist ein unangenehmer Hintergrund für den ehemaligen Premierminister Boris Johnson. Die Mitglieder der konservativen Partei wählten heute den Nachfolger von Boris Johnson. Außenministerin Liz Truss schlägt den ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak in der Stichwahl unter den 200.000 Mitgliedern der Tories.
Großbritannien erlitt den stärksten Rückgang des BIP seit dem frühen 18. Jahrhundert, als die Wirtschaft im April 2020 eingemottet wurde. Das Land erholte sich schnell, aber die Erholung verlangsamte sich in diesem Jahr, als die Weltwirtschaft zu stottern begann. Das Vereinigte Königreich importiert mehr als die Hälfte seiner Lebensmittel und den Großteil seines Gases und Öls, was es besonders anfällig für globale Schocks macht. Große Hedgefonds wetter in letzter Zeit immer häufiger auf eine fallende Wirtschaft im europäischen Raum.
Indien auf zweiten Platz im MSCI Emerging Markets Index
Im Gegensatz dazu wird für die indische Wirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von mehr als 7 % prognostiziert. Dank des weltweiten Aufschwungs der indischen Aktien in diesem Quartal ist ihre Gewichtung im MSCI Emerging Markets Index auf den zweiten Platz gestiegen, hinter der Chinas. Die chinesische Bevölkerung hat mit einer keimenden Immobiliebkrise zu kämpfen. Auf bereinigter Basis und unter Verwendung des Dollarkurses am letzten Tag des betreffenden Quartals belief sich die Größe der indischen Wirtschaft im Quartal bis März auf 854,7 Mrd. Dollar in „nominalen“ Geldbeträgen. Auf der gleichen Basis lag das Vereinigte Königreich bei 816 Mrd. Dollar.
Das Vereinigte Königreich dürfte seither weiter gesunken sein. Das britische BIP wuchs im zweiten Quartal bargeldlos um nur 1 % und schrumpfte inflationsbereinigt um 0,1 %. Auch gegenüber der Rupie hat sich das Pfund Sterling schlechter entwickelt als der Dollar, der in diesem Jahr gegenüber der indischen Währung um 8 % gefallen ist.
Nach den Prognosen des IWF wird Indien das Vereinigte Königreich in diesem Jahr auf Jahresbasis in Dollar überholen, womit das asiatische Kraftpaket nur noch hinter den USA, China, Japan und Deutschland liegt. Vor einem Jahrzehnt lag Indien auf Platz 11 der größten Volkswirtschaften, während das Vereinigte Königreich auf Platz 5 lag. Indiens ehemaliger oberster Wirtschaftsberater geht davon aus, dass das Land bis 2028-2030 die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein wird.
Das weltbekannte Taj Mahal („Krone des Palastes“) steht im Norden des Landes
Prognosen sind zuversichtlich
Dr. Arvind Virmani, ehemaliger Wirtschaftsberater der indischen Regierung, geht davon aus, dass Indien in diesem Jahrzehnt zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen wird, wenn man die aktuellen Zahlen zugrunde legt. Virmani wurde im Jahr 2009 zum Vertreter Indiens beim IWF ernannt. Nach Angaben der indischen Regierung wuchs die indische Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Steuerjahres um 13,5 % – nach Angaben des Nationalen Statistikamtes (NSO) das stärkste Wachstum in den letzten vier Quartalen.
Letzten Monat erklärte Morgan Stanley, dass Indien im Jahr 2022-23 die stärkste Wirtschaft Asiens sein könnte. Die weltweit tätige Investmentbank erwartet für 2022-2023 ein durchschnittliches Wachstum von 7 %. „Die Wirtschaft steht vor dem besten Lauf seit mehr als einem Jahrzehnt, da die aufgestaute Nachfrage sich entlädt“, so die Maklerfirma. „Niedrigere Unternehmenssteuern, die produktionsgebundenen Anreize (PLI) und Indien als potenzieller Nutznießer der Diversifizierung der Lieferkette werden die Inlandsnachfrage ankurbeln und stützen, insbesondere bei den Investitionen.“ So hat Volkswagen das Potential in Indien schon früh erkannt und strebt Partnerschaften mit der ansässigen Industrie an.
(TB)